Die dritte Kirche
Zur Vorgeschichte
Trotz aller Reparaturen befand die Kirche sich in den 1950er-Jahren in einem sehr schlechten, für ein Gotteshaus unwürdigen Zustand. Die Feuchtigkeit war bis zu einer Höhe von 4 m ins Mauerwerk eingedrungen. Nach einer Besichtigung und Überprüfung durch den Erzdiözesanbaumeister und den Landeskonservator im Jahr 1960 kamen beide zu dem Ergebnis, dass eine Restaurierung mehrere Hunderttausend DM kosten würde. Im Hinblick auf die damals entstehenden neuen Siedlungen sah man die Kirche auch als zu klein an und legte dem Kirchen-vorstand deshalb nahe, den Abbruch der alten Kirche zu erwägen und einen Neubau zu beantragen. Der Turm und die alte Kirchhofmauer mit den Bäumen sollten jedoch erhalten bleiben. Noch im gleichen Jahr wurde der Antrag durch die Erzbischöfliche Behörde genehmigt und der Architekt Ludger Kösters aus Köln mit der Vorplanung beauftragt. Der Kirchenvorstand bestand damals neben Pastor Theodor Stöcker noch aus Peter Brandt, Peter Brosch, Anton Langen, Josef Krawinkel sen., Johann Winkel und Wilhelm Schmitz.
1960 wurde auch die Kirchengemeinde über die Pläne eines Neubaus informiert. Die Zustimmung war offensichtlich so groß, dass ein Kirchbauverein St. Matthäus gegründet wurde mit der Aufgabe, im Dorf die erforderlichen Gelder für die Inneneinrichtung der neuen Kirche zu sammeln. Da für den Zeitraum von Abriss und Neubau ein Notkirchenraum benötigt werden würde, beantragte man zusätzlich den Bau eines Jugendheims mit kleinem Saal, der auch von Köln genehmigt wurde. Die Kosten hierfür in Höhe von DM 201.500,– wurden von der Stadt und dem Kreis Grevenbroich, dem Landschaftsverband, der Diözese und Eigenleistungen der Pfarrgemeinde aufgebracht. Am 25. Oktober 1964 wurde das Jugendheim nach ca. zweijähriger Bauzeit eingeweiht.
Endlich war es soweit – am 5. April 1965 gab die Erzbischöfliche Behörde die Baugenehmigung für die Kirche, eine Küsterwohnung und die Bücherei. Die Gesamtkosten betrugen gemäß Kostenvoranschlag DM 980.000,–, wovon aus Kirchensteuermitteln DM 880.000,– bezahlt werden sollten. Die verbleibenden DM 100.000,– musste die Kirchengemeinde aus eigenen Mitteln aufbringen. Und deshalb klingelten die 15 Sammler des Kirchbauvereins einmal im Monat bei den Allrather Bürgern, um Spenden für die Kirche in Empfang zu nehmen.
Abbruch und Neubau, aber der Turm bleibt stehen
Nachdem am Pfingstdienstag, dem 8. Juni 1965, der letzte Gottesdienst in der alten Kirche gehalten wurde, konnte mit dem Abbruch des „plumpen, einschiffigen Baus“ mit Ausnahme des Turms begonnen werden. Noch am gleichen Tag wurde die Kirche aus- und die Notkirche im Jugendheim eingeräumt. Bereits am nächsten Tag konnte dort die erste Messe gefeiert werden. Sicherlich erinnern sich noch viele ältere Mitbürger daran, dass sie dort geheiratet haben und ihre Kinder taufen ließen. Dieser relativ kleine Raum war bei den Messen immer voll besetzt. Die Orgel wurde von der Firma Josef Weimbs aus Hellenthal abgebrochen, die sie nach Restaurierung in der neuen Kirche wieder aufstellen sollte.
Die wunderschön geschnitzte Holzkanzel mit Reliefs von Christus und den Evangelisten aus dem 18. Jh. wurde nach den vom Konzil 1962 beschlossenen Veränderungen nicht mehr aufgestellt und dem Kloster Langwaden nach über 160 Jahren zurückgegeben. Dort kann man sie im Refektorium (Speisesaal) der Zisterziensermönche besichtigen.
Mit den Abbrucharbeiten wurde die ortsansässige Firma Josef Krawinkel beauftragt in Zusammenarbeit mit der Firma Michaelis aus Neuß. Ende Juli 1965 begann die Firma Krawinkel mit den Ausschachtungen für die Fundamente der neuen Kirche, des Küsterhauses und der Pfarrbücherei. Der aus dem Jahr 1792 stammende Turm – von den Bürgern seinem Aussehen entsprechend liebevoll „Pefferdus“ (Pfefferdose) genannt – sollte erhalten und restauriert werden.
Die Lage der Kirche wurde derart verändert, dass sich die Längsachse nun fast genau von Süden nach Norden erstreckte, also um 90 Grad gedreht zur Achse der früheren Anlage. Damit wurde der Altar nunmehr nach Norden hin gerichtet. Bei der alten Kirche hatte er nach früherer christlicher Symbolik im Osten gelegen, der Richtung des Sonnenaufgangs. In Allrath orientierte man sich dabei nach dem Stand der Sonne am 21. September, dem Gedenktag des Pfarrpatrons St. Matthäus. Der neue Kirchplatz wurde der Kirche im Osten vorgelagert. Um die Kirche und innerhalb der verbleibenden Kirchhofmauer führt ein Prozessionsweg.
Die Grabplatten von zwei Allrather Priestern (Johann Adam Hages, Pfarrer in Allrath von 1773-1791 sowie Peter Engelbert Claessen, in Allrath 1756 geboren und 1830 hier gestorben, Priester und Canonicus 1781 im Regulier-Herren-Kloster Neuss) sowie drei steinernen Grabkreuze aus dem 16. und 17. Jahrhundert wurden verlegt und an der nördlichen Umfassungsmauer zwischen den Bäumen wieder aufgestellt. Der Haupteingang ist nun über den Kirchplatz, auf dem bei Beerdigungen der Sarg aufgestellt wird, zu erreichen, der Nebeneingang befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite zwischen Turm und neuem Kirchenkörper.
Am 11. Februar 1966 wurde Richtfest gefeiert, am 27. Februar 1966 der Grundstein ins Mauerwerk der Kirche eingelegt. Bereits am 27. November 1966, dem 1. Adventssonntag, musste die innen noch nicht voll fertig gestellte Kirche wegen ablaufender Genehmigung des Jugendheims als Notkirche nach vorheriger Benediktion in Benutzung genommen werden. Es dauerte noch fast 8 Monate, bis am 23. Juli 1967 die feierliche Konsekration durch Weihbischof Dr. August Frotz erfolgte.
Es ist ein moderner Backsteinbau mit in viele kleine Giebel geknicktem Dach entstanden, der zusammen mit dem alten eine ansprechende „Symbiose“ eingeht und nun – eingegrenzt durch Küsterhaus, Bücherei, Kirchplatz und umlaufende Mauer – einen neuen in sich geschlossenen Gesamteindruck vermittelt. Der Turm selbst erhielt ein neues Tor aus Metall sowie einen seitlichen, verglasten Zugang. Die Turmhöhe selbst blieb mit ca. 28 m unverändert. Die mit Schiefer gedeckte Haube zieren über einer Kugel ein geschmiedetes Metallkreuz und ein goldfarbener Hahn. Trotzdem werden viele Allrather, vor allem die älteren, mit etwas Wehmut ihre „alte, gemütliche“ Kirche im Gedächtnis behalten, die einen Teil ihres Lebens mitbestimmt und -gestaltet hat. Dennoch alles in allem an altem Platz eine Kirche in neuem Gewand mit einer sehr geschichtsträchtigen Vergangenheit.